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Impuls: April, April – Deutsche haben die Lust am Aprilscherz verloren

    Jemanden in den April schicken hat eine lange Tradition. Aber in Zeiten von Fake News ist den Deutschen die Lust am Aprilscherz anscheinend abhanden gekommen. Mark Kleber, Redaktionsleiter bei SWR Südwestrundfunk, hat dem Aprilscherz einen Abschiedsbrief geschrieben.

    Lieber Aprilscherz,

    ich vermisse Dich. Es gab Zeiten, da bin ich auf Dich hereingefallen. Und dann habe ich herzlich gelacht – oder mich ein bisschen dafür geschämt, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass ich Dir aufgesessen bin, zum Beispiel in einer Zeitungsmeldung. Du warst die kleine Ausnahme vom großen Ernst. April, April! Und wenn ich dann fertig war mit dem bisschen Schämen, dachte ich mir: Alle Achtung, clever ausgedacht, nah an der Wahrheit, aber eben nur so nah, dass ich mit ein bisschen Nachdenken selbst darauf hätte draufkommen können. Zumindest für ein Lächeln und etwas Selbsterkenntnis warst Du immer gut, lieber Aprilscherz.

    Shitstorm statt Schmunzeln

    Aber inzwischen stehst Du auf der roten Liste der aussterbenden Arten, weil Du kaum mehr Platz hast – zwischen all den Fake News heutzutage. Die haben Dir das Leben schwer gemacht. Wer traut sich denn schon, einen Aprilscherz zu machen, wenn die Gefahr besteht, dass er für bare Münze genommen wird, und die Folge kein Schmunzeln ist, sondern ein Shitstorm?

    Dabei brauchen wir doch gerade, wenn die Lage so ernst ist, mal einen kleinen Scherz zwischendurch. Seit fast 400 Jahren hast Du Menschen dazu angespornt, andere in den April schicken: mit witzigen, klugen, aufwändigen, sogar kunstvollen Scherzen – na ja, zugegeben auch manchen schlechten. Du warst nicht immer in Bestform. Niveau hatte der Aprilscherz.

    Mach’s gut, lieber Aprilscherz. Du wirst mir fehlen.

    Dein Mark Kleber

    Liebe Schwestern und Brüder,

    Ich bin deshalb froh, dass das Bischöfliche Ordinariat Speyer eine Verordnung erlassen will, wonach künftig jedes Jahr ein Wettbewerb für den besten Aprilscherz im Bistum stattfinden soll. Na gut, ich gebe es zu. Das ist natürlich nur ein Scherz. Leider. Aber trotzdem, ich hoffe, dass der Aprilscherz, der kleine Scherz mit Tiefgang, nicht ganz verschwindet. Lieber Aprilscherz, wir uns eines Tages wiedersehen.

    https://www.swr.de/swr2/wissen/medien-in-zeiten-von-fake-news-machs-gut-lieber-aprilscherz-100.html

    Erstellt am 01.04.2022

    Der Aprilscherz hat eine lange Tradition

    Erklärungsversuche zum Ursprung und Sinn des Aprilscherzes gibt es viele:

    1. Das trügerische und wetterwendische Aprilwetter soll der Anlass sein. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, weil der Brauch in Gegenden beheimatet ist, in denen die Wetterlage im April stabil ist.

    2. Das Herumschicken Jesu Christi „von Pontius zu Pilatus“ am Tag seiner Verurteilung, der ein 1. April gewesen sei, wird ebenfalls benannt. Weil aber Humor und die Verurteilung eines Menschen/unseres Herrn wohl kaum zusammen gehören, kann man die Tradition des Aprilscherzes wohl kaum mit Jesus Christus gleichsetzen.

    3. Der 1. April sei der Geburtstag des Judas Iskariot, des Verräters Jesu. Deshalb sei aus der für alte Zeiten vermuteten Schadensvermeidung an diesem Unglückstag das Treiben von Schabernack geworden.

    4. Vermutet wird auch die Herleitung von den Quirinalia, dem Narrenfest der Römer, oder dem altindischen Hulifest, bei dem, wie in der alemannischen Fastnacht, der Winter und seine Dämonen durch Narren vertrieben wird.

    5. Gerne wird auch auf den Reichstag 1530 zu Augsburg verwiesen. Hier sei ein besonderer Münztag für den 1. April festgelegt worden, um Ordnung in das Münzwesen zu bringen. Der 1. April wurde zu einem Spekulationstermin. Als aber der Münztag nicht stattfand, wurden die Spekulanten verspottet und der 1. April zum Narrenfeiertag.

    6. Angeblich habe an einem 1. April eine sechszehnjährige Unbekannte Heinrich IV. (1553–1610), König von Frankreich, der sich jungen Damen gegenüber stets etwas zu geneigt zeigte, mit einem Briefchen um ein heimliches Rendezvous in einem abgelegenen Lustschlösschen gebeten. Als der König zum Tête-à-Tête erschien, wurde er überraschend vom gesamten Hofstaat unter Anführung seiner Gattin Maria de Medici begrüßt, die sich bei ihm ironisch-untertänigst dafür bedankte, dass er der Einladung zum „Narrenball“ gefolgt sei.

    7. Ein möglicher Brauchursprung soll sich in den heutigen Niederlanden während des Achtzigjährigen Freiheitskrieges der Holländer ereignet haben. Der auf Burg Brill residierende spanische Statthalter Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba, sei an einem 1. April in Abwesenheit von Freibeutern (Likedeelers) vertrieben worden. Unsere ostfriesischen Vettern drehten ihm begeistert eine Nase hinterher und dichteten: „Am 1. April verlor Alba sein Brill!“

    8. Nicht unwahrscheinlich klingt die Erklärung, die im Aprilscherz Reste eines Frühlingsbrauches, wie die Fastnacht, erkennt. Der Aprilnarr, der sich überall hinschicken lässt, steht für den machtlos gewordenen Winter, mit dem der seine Herrschaft antretende Sommer tun kann, was er möchte. Und wenn das Hauptmerkmal der Aprilscherze die Täuschung ist, dann könnte diesem heutigen Kinderbrauch ein kultischer Frühlingsbrauch zugrunde liegen, wie er sich in den Quirinalia und dem Hulifest nachweisen lässt.

    Allen Erklärungsversuchen gemein ist, dass sich der Brauch nicht leicht zuweisen lässt. Von den benannten acht scheint mir der Hinweis auf das Frühlingsbrauchtum nicht unwahrscheinlich zu sein. Hypothetisch sei mir aber auch die religiöse Erklärung zu erläutern gestattet.

    Der 1. April war unter den von Kaiser Augustus anerkannten Unglückstagen der schlimmste, warum auch immer. Ein so über Jahrhunderte akzeptierter Unglückstag, wie bei uns Freitag der 13, ließ sich von den späteren Christen, die ja nicht weniger, aber nur anders abergläubisch waren, nicht mir dieser Begründung übernehmen. Es gab also eine neue religiöse und zum Christentum passende Erklärung: Es ist der Geburtstag von Judas Iskarioth, um nur diese Variante zu wählen. Mit diesem behaupteten Faktum verbunden wird die Folgerung: Wenn Judas Iskarioth an so einem Tag Geburtstag hat, kann das nur ein Unglückstag sein. Ein Unglückstag ist ein Tag, an dem der Teufel alle Macht hat.

    Die ihm Verfallenen, also diejenigen, die Gott leugnen, sind durch Narrheit gekennzeichnet (Psalm 53). Schlussfolgern kann man also: Wer sich als Narr ausgibt, ist am 1. April vor den Anfeindungen des Teufels geschützt.

    Stimmt diese Hypothese, dann ist der Aprilnarr im Mittelalter ein selbst gemachter Narr, der sich vor der Macht des Teufels an diesem Tag zu schützen sucht.