Geinsheim: Vor Christi Himmelfahrt ziehen die Geinsheimer durch die Felder und Fluren. Es ist die Zeit der Bitttage, die in vielen Gegenden mit Bittprozessionen, Flurumgängen oder Wetterkreuzprozessionen, wie in Diedesfeld und in Hambach. In den Wochen, in denen die Natur in voller Blüte steht, richtet sich der Blick bereits auf die bevorstehende Ernte: „An Gottes Segen ist alles gelegen“, sagt man sprichwörtlich. Und so ist es das Anliegen, Gottes Segen für die Felder und Fluren, den Weinberg und den Wald zu erbitten.
Bei den Bittprozessionen wird immer ein besonderer Segen gespendet, der Wettersegen. Der Text des Wettersegens lautet: „Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern. Er segne die Felder, die Gärten, den Weinberg und den Wald und schenke euch die Früchte der Erde. Er begleite eure Arbeit, damit ihr in Dankbarkeit und Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist.“
Damit rückt der Wettersegen nicht allein die Bitte um „gedeihliches Wetter“ in den Mittelpunkt! Er thematisiert auch das, was nach dem Anbau und der Ernte geschieht. Es geht um den achtsamen Umgang mit der Nahrung, mit den Geschenken der Schöpfung. In „Dankbarkeit und Freude“ soll man die Früchte der Natur gebrauchen. Dankbar, weil sie ein Geschenk sind, das der Mensch durch seine Arbeit nur in einem bestimmten Maß beeinflussen kann. Und freudig, weil alle Schöpfung eine Gabe Gottes ist, der sich um den Menschen sorgt und sich um sein Wohlergehen kümmert. Jede Ernte ist Ausdruck einer zweifachen Sorge: Sie ist Ergebnis von menschlicher Arbeit und Geschenk von Gottes guter Schöpfung. Das gilt es nachhaltig zu würdigen – auch wenn gerade letzteres gerne beim Genuss der irdischen Gaben vergessen wird. Jede Ernte ist nie Selbstverständlichkeit, sondern immer ein Geschenk, für das es zu danken gibt.
Die Spendung des Wettersegens bewahrt nicht vor Klimawandel und Katastrophen; auch wenn wir uns dies vielleicht wünschen würden. Aber der Wettersegen weist auf die Schöpfung hin und ruft zu einem bewussten Umgang mit ihr auf. Er macht deutlich, dass die ganze Erde Geschenk und Aufgabe zugleich ist.
Gottes Segen begleitet das Bemühen der Menschen, die Natur zu schützen und zu bewahren. Gottes Gegenwart offenbart sich inmitten seiner Schöpfung, wo Menschen in „Dankbarkeit und Freude“ bewusst mit dem umgehen, was sie als Frucht der Erde empfangen haben.
Am Ende der Bittprozession wird die Abendmesse in einem der Weingüter gefeiert. In diesem Jahr durften wir im Weingut Nett unseren Altar aufstellen.
Nach der Messe konnten alle Mitfeiernden, „in Dankbarkeit und Freude gebrauchen“, oder besser gesagt genießen, „was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist.“ Wein!